
Die Uhrmacherei ist eine Branche, die seit Jahrhunderten von Traditionen und festen Hierarchien geprägt ist. Gerade deshalb ist es umso bemerkenswerter, dass fünf außergewöhnliche Frauen diese traditionellen Barrieren überwinden und die Branche mit frischen Ideen revolutionieren. Ihre Geschichten handeln nicht von ererbten Vermächtnissen oder einflussreichen Mentoren – sie erzählen von Visionen, Mut und einem unermüdlichen Streben nach Innovation und Unabhängigkeit.
Fiona Krüger – Die rebellische Künstlerin
Die gebürtige Schottin Fiona Krüger betrachtet Uhren nicht bloß als mechanische Zeitmesser, sondern als kinetische Kunstwerke. Aufgewachsen in Schottland und geprägt durch ihre Zeit in Brasilien, Mexiko und Südafrika, verbindet Krüger unterschiedliche kulturelle Einflüsse zu unverkennbaren Kreationen. Besonders bekannt ist sie für ihre „Skull“-Kollektion, inspiriert vom mexikanischen „Tag der Toten“. In diesen Werken bilden die Uhrwerke selbst die markanten Züge eines Totenschädels und machen jede Uhr zu einem beweglichen Kunstobjekt.

Krüger sieht jedes Uhrwerk als Leinwand, auf der sie ihre künstlerische Vision verwirklicht. Dabei arbeitet sie eng mit etablierten Marken zusammen, um deren Identität kreativ neu zu interpretieren. Ihre jüngste Kooperation mit dem japanischen Perlenschmuckhaus Tasaki beweist eindrucksvoll, dass avantgardistische Mechanik und filigrane Eleganz perfekt harmonieren können. Fiona Krüger lehnt es ab, sich an Traditionen allein um der Tradition willen zu orientieren. Vielmehr sieht sie in der Kreativität und Einzigartigkeit jeder Uhr die eigentliche Bedeutung eines wahren Vermächtnisses.
Alcée Montfort – Horologie zum Selbermachen
Alcée Montfort, eine junge Mutter aus Frankreich, verfolgt eine völlig andere Strategie, um die Uhrmacherei neu zu definieren. 2023 erhielt sie den prestigeträchtigen Audacity-Preis beim GPHG für ihr revolutionäres DIY-Kit „Persée“. Dieses Kit erlaubt Uhrenenthusiasten, ein eigenes mechanisches Meisterwerk aus 233 Einzelteilen zusammenzubauen. Mit einem detaillierten 150-seitigen Handbuch, professionellem Werkzeug und ergänzenden Video-Tutorials wird traditionelle Uhrmacherkunst erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Montfort, deren Karriere ursprünglich in der Physik begann, sammelte wertvolle Erfahrungen bei Marken wie Hermès, Cartier und TAG Heuer. 2019 gründete sie ihr eigenes Unternehmen „Maison Alcée“, um ihre Vision einer demokratisierten Luxus-Uhrmacherei zu verwirklichen. Ihr Ziel ist es, die Magie und Präzision der Uhrmacherkunst für jedermann erfahrbar zu machen, und sie plant bereits, zukünftig weitere Komplikationen, wie eine Mondphase, in ihre Kits aufzunehmen.
Megan Precious – Die Zukunft des Uhrmacher-Service
Mit nur 30 Jahren hat sich Megan Precious im Bereich des Uhrmacher-Service einen Namen gemacht. Als Managerin des externen Servicenetzwerks von Richemont Americas verantwortet sie inzwischen mehr als 100 Werkstätten und sorgt dafür, dass Qualitätsstandards weltweit eingehalten werden. Megan begann ihre Laufbahn bereits mit 16 Jahren, absolvierte eine umfassende Ausbildung und spezialisierte sich auf renommierte Marken wie Cartier und Patek Philippe. Ihre Fähigkeit, komplexe Uhrwerke wie die Patek Philippe Grand Complications zu warten, verschaffte ihr großen Respekt in der Branche.
Sie setzt sich aktiv für bessere Ausbildungsmöglichkeiten im Uhrmacherhandwerk ein, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Megans Vision umfasst eine nachhaltige Entwicklung des Uhrmacher-Services, in dem unabhängige Werkstätten durch gezielte Weiterbildung und Unterstützung konkurrenzfähig bleiben.
Nousseïma Baraket – Zeit als Poesie
Nousseïma Baraket gründete 2016 die Marke BUCI Paris aus einem tiefen Bedürfnis heraus, Uhren zu schaffen, die nicht nur Zeit messen, sondern ein emotionales Erlebnis bieten. Jede ihrer minimalistischen Uhren trägt literarische Zitate, die den Betrachter dazu einladen, Zeit bewusster zu erleben. Ihre innovative Herangehensweise sorgte zunächst für Skepsis in der männlich dominierten Branche. Doch diese Widerstände spornten sie nur weiter an.
Geboren in der traditionsreichen Uhrmacherregion Franche-Comté, brachte Nousseïma dennoch einen frischen, unkonventionellen Blick in die Industrie ein. BUCI’s erste Modelle zeichneten sich durch schlichte Eleganz und tiefgründige Symbolik aus, etwa ein Zifferblatt, das an Papier erinnert, und Zeiger in Blattform. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne brachte BUCI ins renommierte Pariser Kaufhaus Printemps Haussmann. Heute verfolgt Nousseïma ehrgeizige Ziele und plant internationale Expansionen sowie weitere poetische Kollaborationen.
Susan Galvin – Minimalismus mit skandinavischer Seele
Als Finnin, die inzwischen in Australien lebt, gründete Susan Galvin im Jahr 2020 die Galvin Watch Company – Australiens erste von einer Frau geführte Uhrenmarke. Ihr minimalistisches Design verbindet skandinavische Klarheit mit praktischer Funktionalität. Nachdem sie während ihrer Elternzeit ihre Anstellung verloren hatte, wagte sie den Sprung ins Unternehmertum und verwirklichte mit ihrer ersten Kollektion „Alku“ (finnisch für „Anfang“) erfolgreich ihre Vision.
Susan meisterte die Herausforderung, Unternehmertum und Mutterschaft zu verbinden, indem sie ihre Uhren in Heimarbeit während der Schlafzeiten ihres Kindes entwickelte. Inzwischen expandiert ihre Marke international, unterstützt durch Kooperationen in den USA und gezielte digitale Marketingstrategien. Galvin will mit ihren Uhren nicht nur Ästhetik bieten, sondern auch persönliche Geschichten erzählen und Menschen dazu inspirieren, ihren eigenen Weg mutig zu beschreiten.
Gemeinsam setzen diese fünf Frauen neue Maßstäbe in der Uhrmacherei. Sie beweisen eindrucksvoll, dass wahre Innovation aus der Kraft individueller Visionen, unabhängigem Denken und leidenschaftlicher Beharrlichkeit entsteht. Ihre Geschichten sind nicht nur Zeugnisse persönlichen Erfolgs, sondern Vorbilder für zukünftige Generationen von kreativen Köpfen, die bereit sind, Konventionen herauszufordern und ihre eigene Spur in der Welt der Uhrmacherei zu hinterlassen.